Tagungsband zum Urheberrecht in Bibliothek und Wissenschaft – Rezension

Auf www.bibliotheksrecht.de ist eine Rezension zum Tagungsband des Münchener Symposium der Buchwissenschaftlichen Gesellschaft zu den Problemen des neuen Urheberrechts für Wissenschaft, Buchhandel und Bibliotheken (21./22. Juni 2007) erschienen. Dort finden sich Beiträge u.a. zu § 52b UrhG und zur Position der Wissenschaftsverlage zu Open Access.
Link zur Rezension.

[Text der Besprechung – die ursprüngliche Seite ist mittlerweile offline]

Mitten in der hitzigen Debatte um den Zweiten Korb hat die Internationale Buchwissenschaftliche Gesellschaft am 21. und 22. Juni 2007 in München ein Symposium zu Fragen des neuen Urheberrechts in den Räumen des Beck-Verlages veranstaltet. Dieses Symposium wird nun als Heft 8 der Reihe „Buchwissenschaftliche Forschungen“ dokumentiert. Der äußerlich schmale Band vereinigt zwölf Beiträge, die mitunter sehr gegensätzliche Standpunkte vertreten. In ihrer Einleitung betonen die Herausgeber, dass angesichts der aktuellen Entwicklungen urheberrechtliche Fragestellungen auch in den Blick der Buchwissenschaft geraten. Dem ist zuzustimmen.

Ludwig Delp führt in das Thema ein und gibt einen Überblick zu den im Band versammelten Themen.

Aus Sicht der VG Wort behandelt Ferdinand Melichar die Diskussion im Rahmen des Zweiten Korbes um die Vergütung von Privatvervielfältigungen.

Peter Beisler fragt in seinem Beitrag nach der angemessenen Vergütung der literarischen Urheber. Seine Ausführungen machen deutlich, dass man im Urheberrecht wirtschaftlich sehr deutlich zwischen Urhebern und Verwertern unterscheiden muss. Die Urheber als die eigentlich Kreativen erfahren oft nicht die auch finanzielle Anerkennung, die ihnen eigentlich zusteht.

Rechtsprobleme rund um elektronische Leseplätze nach Maßgabe von § 52b UrhG erörtert Christian Berger. Er analysiert die verschienen Entwurfsfassungen der Norm. Breiten Raum nimmt hier das Problem der Bestandsakzessorietät ein. Berger sieht § 52b UrhG mit Blick auf den Drei-Stufen-Test kritisch. Als wegweisende Lösung findet die sog. Leipziger Verständigung zwischen dem Deutschen Bibliotheksverband und dem Börsenverein seine Zustimmung. Dort war nicht nur eine Bestandsakzessorietät, sondern auch ein expliziter Ausschluss digitaler Anschlussnutzungen vereinbart worden. Die Leipziger Verständigung ist freilich nicht Gesetz geworden. Vor dem Hintergrund des aktuellen Streits um die Zulässigkeit von elektronischen Leseplätzen in Bibliotheken sind Bergers Ausführungen zur digitalen Anschlussnutzung von großem Interesse. Zur Fassung des Regierungsentwurfes von § 52b UrhG merkt er an, dass § 52b UrhG eine Schrankenkette ermöglicht: „Stellt die Bibliothek ein Werk nach § 52b UrhG-RegE-Korb II zur Verfügung, kann jeder Nutzer davon auf der Grundlage des § 53 Abs. 1 UrhG – mittels eines USB-Sticks – eine Privatkopie anfertigen.“ S. 39 Diese Feststellung muss auch für die schließlich verabschiedete Fassung von § 52b UrhG gelten!

Stephanie Hrubesch-Millauer gibt einen Überblick über Entwicklungen im Schweizer Urheberrecht und zugleich eine Einführung in das aktuelle Urheberrechtsgesetz.

Silke Ernst analysiert zwei Gerichtsentscheidungen, die den elektronischen Kopienversand betreffen. Es geht einmal um die Subito-Entscheidung des OLG München sowie um ein Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts. Im Ergebnis spricht sich Ernst für eine vernünftige Schrankenregelung für einen elektronischen Kopienversand aus, die sich vor allem an den Interessen der Autoren an Verbreitung und Vergütung orientiert. Beschränkungen mit Blick auf Formate, die mittlerweile in § 53a UrhG Gesetz geworden sind, lehnt sie ab. Dieser Satz verdient Beachtung: „Wird geltend gemacht, die Verbreitung einer Grafikdatei durch eine Bibliothek sei bereits eine Bedrohung der weiteren normalen Verwertung aufgrund der leichten Verbreitungsmöglichkeit im Internet, ist nicht erklärlich, warum Verlage in ihren kommerziellen Pay-per-view-Angeboten selbst Kopien im digitalen Format an Endkunden verbreiten. Würde eine digitale Kopie im Umlauf bereits die normale Verwertung beinträchtigen, würden Verlage diese Verbreitungsmethode nicht wählen.“ S. 72 f.

Bernhard von Becker beurteilt in seinem Beitrag den Zweiten Korb aus Verlagssicht. Den Schwerpunkt der Ausführungen bilden Fragen rund um § 137l UrhG.
Von Becker geht auch auf Open Access ein. Er sieht die Leistung der Verlage vor allem in der Verbreitung und Sichtbarmachung von Inhalten. Dies können sie eben besser als Autoren, die ihre Texte einfach so ins Internet stellen. Das ist richtig und macht eines deutlich: Der Erfolg von Open Access hängt entscheidend davon ab, dass nachhaltige Sichtbarkeitsstrukturen entstehen. Hier freilich kann sich durchaus ein interessanter Markt für verlegerisches Handeln ergeben. Ob Verlage hierbei unbedingt ausschließliche Rechte benötigen, wie von Becker meint, sei dahingestellt.

Die Leistung von Verlagen für das Wissenschaftssystem thematisiert Wulf D. von Lucius. Dieser Beitrag verdient besondere Beachtung. Von Lucius geht auf alle wichtigen Problemfelder ein, die sich aus den Forderungen nach Open Access ergeben. Hierbei thematisiert er auch ein mögliches Leistungsschutzrecht für Verlage.

Cornel Dora fragt, ob Bibliotheken und das Urheberrecht natürliche Feinde seien und formuliert eine Antwort aus Schweizer Perspektive. Im Kern geht es um die Frage, welche Rolle Bibliotheken beim Kopieren von Büchern spielen sollen und dürfen.

Reiner Kuhlen stellt die Zweckmäßigkeit des geltenden Urheberrechts insbesondere für die Verbreitung wissenschaftlicher Information in Frage und diskutiert alternative Geschäfts- und Publikationsmodelle. Hierbei legt er insbesondere die Positionen des Aktionsbündnisses „Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft“ dar. Für einen mit der Materie wenig befassten Leser dürften die von Kuhlen benannten unterschiedlichen Geschäftsmodelle auf den ersten Blick verwirrend wirken. Gleichwohl darf man nicht übersehen, dass Kuhlen hier nur Andeutungen gibt und viele Dinge eben noch im Fluss sind.

Elmar Hucko gibt in einem vermittelnden Beitrag „Fingerzeige“ für ein friedliches Zusammenleben von Bibliotheken, Wissenschaft und Urheberrecht. Er bezeichnet die im Zweiten Korb vorgesehenen Regelungen, insbesondere §§ 52b und 53a UrhG, als ausgewogen. Hucko wirbt im Verhältnis von Bibliotheken und Verlagen für Kooperation statt Konfrontation.

Thierry Calame und Florent Thouveninschließlich untersuchen die urheberrechtliche Zulässigkeit von Bildzitaten im schweizerischen Recht. Dabei gehen die Autoren am Rande auch auf die Rechtslage in Deutschland ein. Hier sind Bildzitate im Rahmen von § 51 UrhG grundsätzlich zulässig. Im schweizerischen Recht stellt sich demgegenüber das Problem, dass ein Bildzitat immer auch ein Vollzitat eines Werkes darstellt, was an sich nicht erlaubt ist. Die Autoren arbeiten Kriterien für zulässige Bildzitate heraus, die auch für den deutschen Leser von Interesse sind, soweit nämlich Hinweise zu Sinn und Zweck eines Zitates gegeben werden. Der Zitatzweck ist nach § 51 UrhG auch im deutschen Recht zu beachten.

Trotz seines geringen Umfangs ist der kleine Sammelband eine wichtige Publikation. Er bündelt gleichsam in einem Brennglas zentrale Positionen der aktuellen Urheberrechtsdebatte. Vor allem der Beitrag von Lucius’ ist hier hervorzuheben. Eine bessere Darstellung der verlegerischen Position zu den Wandlungen im wissenschaftlichen Publikationsprozess wird sich kaum finden lassen. Bergers Ausführungen zu § 52b UrhG haben im Kontext der Causa Darmstadt plötzlich an Aktualität gewonnen. Insgesamt also eine empfehlenswerte Publikation.

Quelle: Probleme des neuen Urheberrechts für die Wissenschaft, den Buchhandel und die Bibliotheken : Symposium am 21./22. Juni 2007 in München / hrsg. von Wolfgang Schmitz … – Wiesbaden : Harrassowitz, 2008. – 146 S. (Buchwissenschaftliche Forschungen ; 8)
ISBN 978-3-447-05799-8
27,- €