Am Samstag (4. Juli 2009) wurde in der Sendung Trackback ein Radio-Interview zum Thema Wissenschaftsurheberrecht gesendet. Anlass war die Zusammenstellung von Aussagen aus den Wahlprogrammen der im Bundestag vertretenen Parteien auf wissenschaftsurheberrecht.de.
Zu meiner Verblüffung erfahre ich bei der Anmoderation, dass ich „Andreas“ heiße und „Rechtsanwalt“ bin. Ansonsten war das Interview, das bereits am Donnerstag aufgezeichnet wurde, aber eine feine Sache. 🙂
[Nachfolgend der Beitrag von wissenschaftsurheberrecht.de]
Im aktuellen Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD findet sich die Aussage: „Wir wollen ein bildungs- und wissenschaftsfreundliches Urheberrecht.“
Die im Zweiten Korb vorgelegten Reformen bleiben nach Einschätzung vieler Beteiligten in Wissenschaft und Bibliothekswesen hinter diesem Ziel zurück. Selbst der Bundestag scheint ein Unbehagen verspürt zu haben. In der Debatte anläßlich der Verabschiedung des Zweiten Korbes wurde ein Dritter Korb speziell für die Belange von Bildung und Wissenschaft in Aussicht gestellt. Es war allen klar, dass dieser Dritte Korb erst nach der Bundestagswahl in Angriff genommen werden soll.
Spannend ist es daher, einen Blick in die Wahl- bzw. Regierungsprogramme der im Bundestag vertretenen Parteien zu werfen.
CDU/CSU
„Dem zunehmenden Wert des geistigen Eigentums für die Kreativen muss durch die Sicherung der Rechtsstellung der Urheber im digitalen Zeitalter durch das Urheberrecht Rechnung getragen werden. CDU und CSU setzen sich für einen fairen Ausgleich der Interessen von Künstlern, der Kultur- und Kreativwirtschaft, dem Verbraucher- und Datenschutz sowie der Technologieanbieter ein.“
Wir haben die Kraft – Gemeinsam für unser Land : Regierungsprogramm 2009-2013, S. 36
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SPD
„Gerechte Vergütung kreativer Arbeit. Wir wollen im Rahmen des sozialdemokratischen Kreativpaktes erreichen, dass Kultur- und Medienschaffende, Künstlerinnen und Künstler und Kreative von ihrer Arbeit leben können. Es kommt darauf an, das geistige Eigentum zu schützen und angemessen zu vergüten. Das Urheberrecht und das Urhebervertragsrecht sollen in der digitalen Welt ein angemessenes Einkommen aus der Verwertung geistigen Eigentums ermöglichen. Die Zukunft der Digitalisierung stellt uns vor neue Herausforderungen beim Schutz immaterieller Produkte und Güter. Wir brauchen einen vernünftigen Ausgleich zwischen Nutzerfreundlichkeit und den Rechten der Kreativen. Dabei werden wir im Rahmen des Kreativpaktes die Netzbetreiber und Internet-Service-Provider in den Dialog mit Rechteinhabern und Verwertungsgesellschaften einbeziehen. Wir setzen uns für die Prüfung einer Kultur-Flatrate ein.“
Sozial und Demokratisch. Anpacken. Für Deutschland. Regierungsprogramm der SPD 2009 – 2013, S. 56
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FDP
„Beste Forschung braucht einen effektiven Schutz geistigen Eigentums. Patentrecht und Urheberrecht müssen forschungsfreundlicher ausgestaltet werden. Patent-Scouts und Innovationsberatungsgutscheine sind eine sinnvolle Ergänzung zu den bestehenden Beratungsmöglichkeiten.“
S. 51
Hier geht es wohl um die Möglichkeit, eigene Leistungen zu schützen, nicht aber, fremde Leistungen zu nutzen.
„Das Urheberrecht hat in der digitalen Welt eine Schlüsselfunktion. Die FDP fordert deshalb die konsequente Weiterentwicklung des Urheberrechts zur weiteren Verbesserung des urheberrechtlichen Schutzes. Die Einführung einer „Kulturflatrate“ lehnt die FDP ab. Eine besondere Herausforderung bleibt die Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen vor allem im Internet, denn die „Internetpiraterie“ ist eine existenzielle Bedrohung für die Kultur- und Kreativwirtschaft. Das Internet darf kein urheberrechtsfreier Raum sein. Die FDP setzt sich deshalb für Lösungen ein, die unter Wahrung des Datenschutzes eine effektive und konsequente Rechtsdurchsetzung gewährleisten. Die FDP bekennt sich zur kollektiven Wahrnehmung von Urheber- und Leistungsschutzrechten durch Verwertungsgesellschaften mit effizienten und transparenten Strukturen. Vor allem in Bezug auf Online-Nutzungen muss die grenzüberschreitende Lizenzierung durch Verwertungsgesellschaften erleichtert und eine Fragmentierung der Repertoires verhindert werden. Die FDP setzt sich für die Schaffung eines europäischen Wahrnehmungsrechts als Grundlage für die Förderung des Wettbewerbs unter den europäischen Verwertungsgesellschaften unter einheitlichen Rahmenbedingungen ein.“
Die Mitte stärken. Deutschlandprogramm der Freien Demokratischen Partei, S. 40
Bündnis 90/Die Grünen
„Maßgeblichen Einfluss auf die Zukunft neuer Unternehmensmodelle hat eine zukunftssichere Regelung des Urheberrechts. Derzeit verbreitet allen voran die Medienindustrie eine Ideologie, die unlizensierte Nutzung als »Raub« und »Piraterie« kriminalisiert. Im Kampf gegen die Internetpiraterie gerät jedoch immer öfter die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger unter die Räder – und der freie Zugang zu Wissen und kulturellen Werken. Massenhafte Verfolgung, den Einsatz von digitalem Rechtemanagement sowie die Bestrafung von digitalen Privatkopien lehnen wir ab. Solche Flickschustereien der vergangenen Jahre am Urheberrecht wollen wir beenden. Wie schon im Patentrecht treten wir ein für grundlegende Reformen der bestehenden Urheberrechtsgesetzgebung in Deutschland und der EU sowie der übergeordneten Institutionen und Verträge. Wir drängen in eine Richtung, die zuvorderst BürgerInnen, KünstlerInnen, ForscherInnen, Schulen und Universitäten nützt und nicht der Medien- und Geräteindustrie oder Verlagsgiganten. Die Notwendigkeit einer Vergütung für die Schaffung geistiger Werke erkennen wir an. Pauschale Vergütungsmodelle stellen daher die Zukunft für einen fairen Interessenausgleich im digitalen Raum dar. Kernstück sind dabei die freie digitale Privatkopie und eine faire Lösung beim Urheberrecht im Internet. Diese Lösung muss in erster Linie Künstlerinnen und Künstler angemessen vergüten sowie Nutzerinnen und Nutzer nicht pauschal kriminalisieren, wenn sie Angebote downloaden. Die Einführung einer Kulturflatrate, die die nicht-kommerzielle Nutzung von digitalen Kulturgütern ermöglicht, kann ein richtiger Weg dahin sein.“
S. 198 f.
„Forschungsergebnisse, die mit öffentlichen Geldern erzielt wurden, sollen der Öffentlichkeit auch frei zugänglich sein. Deshalb unterstützen wir Open Access im Wissenschaftsbereich.“
Bundestagswahlprogramm, S. 109
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DIE LINKE
„Rechte von Kreativen und Nutzerinnen und Nutzern im Internet in einem modernen Urheberrecht verankern: das Recht auf Privatkopien und Kopien für Bildungs- und Forschungszwecke langfristig sicherstellen“
S. 24
„ein Künstlergemeinschaftsrecht einführen: Kulturcents auf urheberrechtlich erloschene Werke für die Förderung junger Kunst erheben;
ein modernes Urheberrecht schaffen: die soziale Lage von Kreativen tatsächlich verbessern;“
Bundestagswahlprogramm der Partei DIE LINKE, S. 25
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Piratenpartei
Die Piratenpartei, die derzeit mit einem Abgeordneten im Deutschen Bundestag vertreten ist, hat offenbar kein eigenes Wahlprogramm. Aussagekräftig ist aber ihr Grundsatzprogramm. Die Piratenpartei versteht sich als Themenpartei, die in den Bereich Internet, Urheberrecht, Datenschutz Freiheitsräume eröffnen will.
Zum Thema Open Access in der Forschung etwa ist zu lesen:
„Die Publikationen aus staatlich finanzierter oder geförderter Forschung und Lehre werden oft in kommerziellen Verlagen publiziert, deren Qualitätssicherung von ebenfalls meist staatlich bezahlten Wissenschaftlern im Peer-Review-Prozess übernommen wird. Die Publikationen werden jedoch nicht einmal den Bibliotheken der Forschungseinrichtungen kostenlos zur Verfügung gestellt. Der Steuerzahler kommt also dreifach (Produktion, Qualitätssicherung, Nutzung) für die Kosten der Publikationen auf, während private Verleger den Gewinn abschöpfen. Wir unterstützen die Berliner Erklärung der Open-Access-Bewegung und fordern die Zugänglichmachung des wissenschaftlichen und kulturellen Erbes der Menschheit über das Internet nach dem Prinzip des Open Access. Wir sehen es als Aufgabe des Staates an, dieses Prinzip an den von ihm finanzierten und geförderten Einrichtungen durchzusetzen.“
Grundsatzprogramm der Piratenpartei, S. 8
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Wissenschaftsurheberrecht? Fehlanzeige!
Das Thema Wissenschaftsurheberrecht im Sinne einer leichten Verfügbarkeit von Inhalten für Wissenschaft, Forschung und Studium sucht man bei CDU/CSU, SPD und FDP vergebens.
Bedenklich ist, dass die Ergebnisse juristischer und ökonomischer Expertise, die eine Verstärkung des Urheberrechtsschutz sehr kritisch sehen, von weiten Kreisen der Politik offenbar kaum rezipiert werden.
Interessant ist das Phänomen Piratenpartei. Angesichts der immensen Bedeutung des Internet für die sich formierende Wissens- und Informationsgesellschaft kann eine „Ein-Themen-Partei“ wie die Piratenpartei politisch stimulierend wirken. Denkbar ist, dass diese Partei für ihre Themen eine ähnliche Sauerteigwirkung erreicht wie einst die Grünen für Umweltthemen. Mit ihren differenzierten Aussagen zu Urheberrechtsthemen haben aber auch die Grünen selbst dieses Thema schon seit längerer Zeit besetzt, vgl. Steinhauer, Bibliotheken und Informationsversorgung als Gegenstand politischer Programme, in: Bibliotheksdienst 38 (2004), Heft 3, S. 367-369.
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Fazit
Das Thema Wissenschaftsurheberrecht ist bei keiner Volkspartei im Wahlprogramm. Das verheißt für einen Dritten Korb vielleicht nichts Gutes …